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Groß-Con mit Kleinkind? Mein erstes Drachenfest

Dienstag, 2018-08-07 13:01, Eintrag von Diana
Kategorien: privater Zauber



Langsam versinkt die Hitze zusammen mit den grellen Farben des Tages hinter dem Horizont. Die grasbewachsene Ebene, auf der wir uns versammelt haben, liegt eingerahmt von Bäumen auf einem großen Hügel. In den letzten Tagen wurde hier eine Zeltstadt mit tausender Hände Arbeit rings vor dem Wald erschaffen. Zur Freifläche hin, über die sich nun die Dämmerung senkt, wurden die Zeltlager mit Palisaden und Toren gesichert.
Wir stehen nahe des nördlichen Eingangs der Stadt Aldradach an dem großen Ritualplatz. Auf den Statuen der Drachen ruht die rote Glut der Abendsonne. Bald wird es beginnen. Freudige Erwartung und Aufregung füllen die wenigen freien Plätze zwischen den Besuchern. Sie drängen immer dichter zusammen für die beste Sicht auf ihren Avatar. Gleich werden sie erscheinen und ein weiteres Mal das Fest der Drachen eröffnen – einen Kampf um die Herrschaft über die zweite Welt.
Ich stehe etwas abseits, da ich beim Versuch in der Menge ein freies Fleckchen zu finden, von meinem Sohn aufgehalten wurde. Ich trage ihn vor dem Bauch ganz dicht an meinem Körper. Die Aufregung scheint dennoch zu ihm vorgedrungen zu sein. Es ist ihm eindeutig lieber, wenn ich in Bewegung bleibe.
Über die kunstvollen Gewandungen und bunten Standarten hinweg nehme ich eine Bewegung wahr. In der Ferne, am oberen Rand des Hügels, öffnet sich eines der Tore. Seltsam, denke ich, denn ich hatte den Eindruck, dass bereits alle Lager vollzählig versammelt wären.
Elydara tritt zu mir herüber. Sie trägt ihre kleine Tochter ebenfalls vor sich her. Prüfend folgt sie meiner Blickrichtung »Das sind Orks«, sagt sie nüchtern.
»Orks? Aber es herrscht doch Festfrieden!«
Das letzte rote Glitzern rinnt zäh, wie Blut über den Hügel. Als würde der Tag in den Schatten vor den Toren versickern. Zurück bleibt ein unheilvolles Zwielicht über dem weiten Feld. Elydara lacht verhalten.
»Glaubst du wirklich, die Orks interessieren sich für unseren Festfrieden?«
Um mich herum verschwimmen die Rufe und das Gemurmel der fröhlichen Masse. Mit den Augen verfolge ich, wie sich die dunklen Wesen am Saum der Lichtung zusammenrotten. Scheinbar geräuschlos setzen sie sich in Bewegung.
»Warum bemerken unsere Krieger denn nicht, was dort geschieht?«
Wie eine schwarze Welle strömen die Orks in geduckter Haltung mit gezogenen Waffen den Hang hinab. Dort teilen sie sich gruppenweise auf und verschwinden in Richtung der Lagertore.
Für einen Moment verspüre ich reale Erleichterung darüber, meinen Sohn vor dem Bauch zu tragen. ›Die greifen ja nicht an, wenn sie das Kind sehen‹, denke ich. Wäre das echt, würdet ihr mich schreiend ins Lager rennen sehen!

Und tatsächlich sind die meisten Rollenspieler überaus kinderlieb. Sie nehmen ihre Masken ab, oder begrüßen die Kleinen, um ihnen zu signalisieren, dass alles in Ordnung ist und niemand hier wirklich böse. Kein Wunder, wer ein solches Hobby mit Inbrunst betreibt, muss sich selbst das innere Kind bewahrt haben. Wer sonst würde sich in brütender Hitze mit 30 Kilo Rüstzeug mit Latexwaffen prügeln, oder so tun als könne er einen mächtigen Windstoß herbei beschwören, indem er in einer ausgedachten Sprache singt und seltsame Bewegungen dazu veranstaltet? Auch die Gewandungen lassen keinen Zweifel daran, mit welcher Liebe zur Fantasie sie entstanden sind. Teilweise Liebe zum Detail an historischen Gewändern.
Aus meiner Sicht war das Drachenfest mit Kind, die schönste Art unsere Ferien zu verbringen, die ich mir vorstellen kann. Zusammen mit tausenden gleichgesinnten, hilfsbereiten und entspannten Menschen. Von Organisatoren über Intime-SLs bis hin zu den Mitspielern. Die Probleme und Herausforderungen, vor denen wir standen, hatten nichts mit dem Rollenspiel, vielmehr mit der Hitze und damit zu tun, dass wir es nicht gewöhnt waren mit Kleinkindern zu zelten. Für Plots mit Kindern jeden Alters war jedenfalls gesorgt und dank unserer Mitspieler ein 24 Stunden in Rolle selbst im Lager mit Kind möglich, für alle, die wollten. Die Überzahl an Angeboten trug allerdings auch Schuld daran, dass wir nur einen Bruchteil dessen wahrnehmen und vielen Einladungen nicht nachkommen konnten. Dafür konnten wir uns Hilfreiches von unseren Nachbarn abschauen und fürs nächste Jahr wissen wir, auf was wir noch achten müssen.
Der Quast bei Diemelstadt ist zudem ein wunderbarer Ort für das Drachenfest. Durch die Lage und Anfahrtswege ist die Woche abseits der bekannten Zivilisation für uns zum Erlebnis unter Freunden geworden, ohne die neugieren Blicke von Besuchern. Auch ich möchte mich ganz herzlich für das tolle Spiel bei euch bedanken!